Assen: Quartararos Auferstehung
- Sascha Schnellmann
- 27. Juni
- 4 Min. Lesezeit

Márquez’ Schmerzgrenze und die Suche nach Halt im Chaos
27. Juni 2025 – von Paddock Nation
Es sind 1:31 Minuten, die Fabio Quartararo wieder Hoffnung geben. Nach Monaten des Rückstands, nach endlosen Fragen zur Yamaha, zur eigenen Zukunft, knallt er am Freitagnachmittag von Assen die Tagesbestzeit in den Asphalt – in jenem Moment, in dem Marc Márquez zum zweiten Mal in den Kies fliegt. Die Kontraste des Tages liegen nicht nur in den Zeiten, sondern in den Körpern.
1. Freies Training – rauer Start in die Kathedrale
FP1 (10:45–11:30 Uhr): Marc Márquez beginnt das Wochenende mit einem dramatischen Highsider in Kurve 15. Er schlägt hart auf, zieht sich Handschuh und Helm runter – doch der medizinische Check ergibt: keine Brüche, keine Gehirnerschütterung, „fit for Saturday“. Mit seinem zweiten Bike fährt er zurück auf die Strecke – und markiert die Bestzeit: 1:32.216 Minuten.
Die Session ist geprägt von insgesamt neun Stürzen und zwei roten Flaggen, unter anderem für Ai Ogura (Feuer am Heck) und Aleix Espargaró.Hinter Márquez reihen sich Viñales (+0.313 s), Bezzecchi (+0.354 s), Bagnaia (+0.393 s) und Di Giannantonio (+0.673 s) ein. Fabio Quartararo wird Sechster (+0.740 s), Pedro Acosta Neunter.
2. FP2 – Quartararo überrascht, Márquez stürzt erneut
FP2 (15:00–16:00 Uhr):Fabio Quartararo meldet sich mit einem Paukenschlag zurück: 1:31.156 Minuten – Bestzeit des Tages. In einem Run mit Medium-Front und Soft-Rear Reifen zeigte die Yamaha ein Maß an Stabilität, das monatelang vermisst wurde.
Hinter ihm:2. Álex Márquez (+0.102 s)3. Pedro Acosta (+0.193 s)4. Marco Bezzecchi (+0.196 s)5. Francesco Bagnaia (+0.254 s)6. Marc Márquez (+0.299 s)
Der Ducati-Star erleidet in FP2 den zweiten Sturz des Tages – erneut in Kurve 15, erneut heftig. Ein Cut am Kinn, Kratzer an Arm und Rippen, aber er steht wieder auf. Nach kurzer Pause fährt er zurück in die Box. Die Körpersprache verrät: Schmerz, Wut – und Entschlossenheit.
Die Stimmen – Triumph und Trotz
Fabio Quartararo (Yamaha):
„Wir haben endlich etwas gefunden, das funktioniert. Es war ein harter Weg, aber heute fühlte es sich wieder wie MotoGP an.“
Marc Márquez (Ducati):
„Beide Stürze waren hart. Ich hatte wenig Gefühl fürs Vorderrad, aber ich bin okay. Die Zeiten passen, das zählt.“
Pedro Acosta (KTM):
„Wir sind noch nicht da, wo ich sein will, aber wir machen Fortschritte.
Francesco Bagnaia (Ducati):
„Es war kein perfekter Tag. Wir müssen am Gefühl für die Front arbeiten, besonders in schnellen Kurven.“
Überraschung des Tages – Quartararo und die Rückkehr der Hoffnung
Der Franzose fuhr nicht nur die Bestzeit, sondern tat dies mit strategischem Mut: Er blieb auf Medium-Front, als fast alle Soft testeten – und fand dort Vertrauen, wo zuletzt nur Unsicherheit war. Diese Balance auf einem kühlen, windigen Assen-Freitag war mehr als nur ein technisches Detail. Es war eine Aussage.
Enttäuschung – Honda und die Leere
Joan Mir, Johann Zarco und Taka Nakagami landeten außerhalb der Top 15 – kein Fahrer schaffte es in die kombinierten Top 10. Zarco stürzte im FP2, Mir beklagte erneut mangelnden Grip am Kurveneingang. Der letzte Lichtblick: ein 12. Platz von Luca Marini – aber auch der reicht nicht fürs Q2.
Technische Entwicklungen & Reifenstrategie
Ducati testete ein neues Aero-Paket am Bike von Jorge Martín – mit verringertem Auftrieb am Frontflügel, was laut Team für mehr Agilität in schnellen Richtungswechseln sorgen soll.
Yamaha brachte ein überarbeitetes Mapping für die Motorbremse – ein entscheidender Faktor laut Quartararo.
Reifenwahl: Vormittags dominierte Medium-Front, Nachmittags Soft-Reifen. Michelin bestätigt: Temperaturen steigen am Samstag, Soft könnte riskant werden.
Wetter: Am Freitag zwischen 18 und 21 °C, trockene Strecke, aber böiger Seitenwind in Sektor 2. Prognose für Samstag: trockene Q1/Q2-Sessions, potenziell leichter Regen am Sprintabend.
Bedeutung für Samstag
Marc Márquez ist angeschlagen, aber kämpferisch. Er steht sicher im Q2, doch seine Stürze werfen Fragen auf: Wo ist das Limit – physisch und technisch?
Quartararo könnte nach über einem Jahr erstmals wieder in die erste Startreihe fahren.
Bagnaia & Martín wirken solide, aber nicht überragend – taktisch gut, aber nicht dominierend.
Acosta stabilisiert sich in der Spitze – mit echtem Top-10-Potenzial im Sprint.
Honda steht vor einem taktischen Desaster: kein Fahrer direkt im Q2, technische Probleme ungelöst.
Wer sieht was?
Ducati-Ingenieure warnen: Quartararos Zeit war mit Windschatten und leichtem Bike – nicht repräsentativ.
Yamaha kontert: „Er hätte noch zwei Zehntel gehabt – wir mussten nicht ans Limit.“
KTM lobt Acosta intern für Konstanz – aber man ist vorsichtig optimistisch: „Assen ist speziell – das muss sich in Silverstone bestätigen.“
Ausblick auf Samstag
FP3 (09:10 Uhr): Letzte Chance zur Optimierung.
Q1/Q2 (10:50–11:30 Uhr): Spannung garantiert: KTM, Aprilia, Ducati – alle dicht beisammen. Márquez, Quartararo und Acosta mit realistischen Chancen auf Pole.
Sprint (15:00 Uhr): 13 Runden Assen – bei möglichem Nieselregen. Reifenpoker, Risiko, Restmut.
Márquez lebt gefährlich – Quartararo lebt wieder
Was für andere das Limit ist, ist für Marc Márquez der Alltag. Zwei Stürze, zwei Wiederauferstehungen – sein Tag war eine Mischung aus Wahnsinn und Wille. Fabio Quartararo hingegen hat etwas viel Seltenes gefunden: Ruhe. Und diese Ruhe ist schnell. Das könnte der Anfang einer neuen Geschichte sein.